Sprechen wir über Kulturwandel und zwar so, dass es auch einen Unterschied macht!

Kulturarbeit ist wie Achtbahnfahren. Es ist nicht unbedingt die bequemste Aktivität. Die gesamte Fahrt über hinweg zerren irrsinnige Kräfte an den Beteiligten herum. Das Ereignis kann potenziell die gesamte emotionale Palette zum Vorschein bringen. Ab und zu verlieren Sie auch mal vollkommen die Orientierung. Vor lauter Eindrücken merken Sie gar nicht, dass sie durch drei Loopings durch sind. Und wenn es vorbei ist, wollen sie gleich nochmal oder nie wieder.

Kulturarbeit ist ein organisational und zwischenmenschlich anspruchsvoller und spannender Part in der Organisationsentwicklung. Leider wird er auch oft als buntschillerndes Aushängeschild für alles Mögliche missbraucht. Insbesondere in Veränderungsprozessen ist Kultur in aller Munde. Da wird eine entwicklungsorientierte Führungskultur oder respektbasierte Gemeinschaftskultur gefordert. Es wird gerufen nach einer Kultur des Unternehmertums, der Risikofreude, der Agilität, der Weltoffenheit und der Kundenzentrierung, oft unterstützt mit aufwendigen Kampagnen und Events. Apelle allein führen hier allerdings nicht zu einem soliden Ergebnis, wie emotional und schlüssig ihr Inhalt auch immer sein mag. Rufe nach dem „wir müssen“ verhallen im Nichts, wenn die Auseinandersetzung mit dem Ursprung kultureller Erscheinungsformen umgangen wird.

Letztlich geht es um die Wandlung von Haltungen und Handlungen, die mit vielen Faktoren interagieren. Sie liegen in der Natur der beteiligten Menschen und ihren Hintergründen, dem formgebenden Rahmen und der gemeinsam geschaffenen Identität, mitsamt den damit verbundenen Werthaltungen, Glaubenssätzen und Einstellungen.

Kultureller Wandel ist ein reines Umsetzungsthema.

Man hört und liest zum Thema Kultur viel. Manchmal klingt das alles, als müssten wir Kultur noch definieren. Kulturmodelle gibt es. Da ist so viel bereits wunderbar durchdekliniert. Ein Definitionsproblem haben wir also in keinster Weise. Im Grunde geht es darum, die Essenz des Unternehmens in Aufgaben für die beteiligten Menschen zu formulieren und dann dafür Sorge zu tragen, dass auf allen Ebenen passende Handlungen bzw. Interaktionen erfolgen. Viele Herausforderungen, die unsere Zeit mit sich bringt, liegen bereits klar auf dem Tisch. Bei den meisten haben wir noch viel Luft nach oben. Wenn wir ein Problem haben, dann ein Umsetzungsproblem. Die größte Barriere ist, dass oft keine klare Entscheidung für das Vorhaben getroffen wird und die notwendige Investitionsbereitschaft fehlt.

Manchmal wird in Sachen Kultur schon auch extrem gejammert, z. B. darüber, dass man ohne Strukturveränderungen nichts erreichen kann. Dem stimme ich nur bedingt zu. Viele kulturrelevante Ansatzpunkte sind eng mit den gegebenen Strukturen verbunden, ja. Wer dort gezielt wirken will, dem sei klar gesagt, dass man ohne das Commitment der entscheidungsrelevanten Ebene nicht weit kommen wird. Wenn diese Zustimmung nicht zu bekommen ist, backen Sie eben kleinere Brötchen. Man kann Menschen auch dabei unterstützen mit Widersprüchen zwischen Anforderungen und Strukturen umzugehen. Das ist sogar ein häufig priorisierter, bewusst gewählter Zugang. Es ist oft das kleinere Übel. Viele Unternehmen leben sehr bewusst und gelassen mit den Unzulänglichkeiten ihrer Unternehmensstrukturen, gerade wenn diese in zeitlich immer dichteren Taktungen umgestellt werden.

Das erste und das letzte Mantra: Gemeinsames Verständnis sichern.

Sie wollen einen Kulturprozess angehen? OK! Dann sorgen Sie dafür, dass die Auseinandersetzung mit dem Anliegen das Unternehmen auch durchdringt. Vergessen Sie irgendwelche manipulativen Überzeugungstechniken, die oft aus einer abgehobenen und größenwahnsinnigen Haltung heraus entspringen, die sich letztlich über andere und die gegebene Situation stellt. Reden Sie stattdessen von Mensch zu Mensch über die Anforderungen und Konsequenzen. Setzen Sie selbst Maßstäbe und gehen Sie im Sinne Ihres Anliegens mit gutem Beispiel voran. Lassen Sie eine optimistische und positive Grundhaltung, Begeisterung und Humor ihre ständigen Begleiter sein.

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Sorgen Sie dafür, dass sich Menschen begegnen, dass sie am sprichwörtlichen Lagerfeuer zusammenkommen, sich mit den Anforderungen vertraut machen und diese mitgestalten können. Oft unterschätzen die von einer Idee Begeisterten, die sich zumeist schon länger mit einem Thema befasst haben, dass andere Menschen auch in einer anders aufgebauten und anders priorisierten Wahrnehmungs- und Erlebenswelt handeln. Bleiben Sie immer in Kontakt mit den Welten der Beteiligten. Geben Sie anderen die Chance, das Anliegen nachzuvollziehen. Machen Sie Möglichkeiten anschaulich und im besten Fall über verschiedene Maßnahmen erlebbar. Zeigen Sie auf, was das Ergebnis Ihres Anliegens sein kann. Doch bleiben Sie immer aufrichtig, realistisch und bodenständig. Lassen Sie die Finger von missionarischen, ideologischen oder quasireligiösen Aktionen.

Arbeiten Sie die Essenz des Anliegens heraus mit Fokus auf Verhalten und Konsistenz.

Nehmen Sie sich beispielsweise wissenschaftliches Arbeiten zum Vorbild. Wenn man einen Gegenstand ausarbeiten möchte, dann definiert man ihn zunächst. Suchen Sie aus den Bereichen „Business“, „Technologie“ und „Mensch“ alles zusammen, was Ihr Anliegen erläutert. Im Sinne einer gemeinsamen Erarbeitung des Vorhabens involvieren Sie die Beteiligten nach Kräften in Workshops, Interviews, Sounding-Boards oder ähnlichem.

Listen Sie die dabei auftauchenden Schlagwörter auf und operationalisieren Sie diese. Arbeiten Sie dafür heraus, was die aufgelisteten Begriffe für Sie bedeuten. Nutzen Sie ggf. auch passende Fragestellungen. Formulieren Sie dann Aufgaben, die von allen Beteiligten des Unternehmens zu erfüllen sind. Anschließend konkretisieren Sie diese weiter auf Verhaltensebene mit entsprechenden Beschreibungen, so genannten Verhaltensankern. Mit dem verhaltensbezogenen Manifest unterm Arm gehen Sie nun auf eine gemeinsame Umsetzungsreise.

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Wenn Sie möchten, dass nichts aus Ihrem Anliegen wird, dann schlagen Sie in Ihrem Unternehmen bitte auch nur mit Einzelmaßnahmen auf, z. B. mit einer Rede auf der Jahreshauptversammlung, mit einem Beitrag im firmeninternen Newsletter, mit einem Workshop oder mit einem optisch getunten Leitbild. Wenn Sie jedoch wirklich etwas voran bringen möchten, dann wird es deutlich gestalterischer. Ihre nun höchste und gemeinsam zu erfüllende Aufgabe ist es, auf allen Ebenen die gestaltungsrelevanten Ansatzpunkte zu identifizieren und unerschütterlich dafür Sorge zu tragen, dass diese entlang ihrer Verhaltensbeschreibung ausgerichtet werden. Konsistenz ist Ihr Leitstern. Achten Sie darauf, dass Sie auf eine gemeinsame Realität hinarbeiten, anstatt Realitäten zu separieren. Beispielsweise können unpassende Zielvereinbarungsstrukturen ein gewünschtes Führungsverhalten unterbinden. Wenn sie nach außen etwas ganz anderes kommunizieren, als sie es intern leben, verlieren sie das Vertrauen auf allen Seiten. Wenn Sie Ihre Vertriebsmannschaft umfassend und gemäß einer bestimmten Ausrichtung qualifizieren und dann eine Vertriebsaktion „drüberschieben“, die ganz andere Kernbotschaften vertritt, sorgen Sie für Verwirrung und Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Aktionen.

Ausdauer und Praxis als Sternenstaub.

Richten Sie Ihr Vorhaben langfristig aus! Wenn wir beispielsweise an Verschiebungen von Führungskulturen arbeiten, dauert es einige Jahre, bis sich ein Unterschied bemerkbar macht. Plötzlich merken Sie, dass andere Erwartungen an Führung formuliert und andere Talente gefördert werden. Diese Strecken heißt es auszuhalten. Kulturarbeit braucht Zeit, bis sie greift.

Und üben, üben, üben Sie! Sorgen Sie dafür, dass es möglichst handlungsrelevante Lernräume gibt. Viele Programme beschränken sich auf eine rein kognitive Auseinandersetzung und agieren viel zu distanziert von Personen und dem eigentlichen Arbeitskontext. Machen lernen geht leichter, indem man macht und klares, gezieltes Feedback erhält. Und Achtung! Verhaltensbeschreibungen sind anfällig für Interpretationen. Achten Sie also darauf, dass die neue Perspektive immer wieder kalibriert wird.

Sorgen Sie auch für eine signifikante Übungsdichte! Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Developement-Center ansetzt, dieses einmal auf allen Ebenen von oben nach unten durchkaskadiert und nach einiger Zeit noch einmal von vorne anfängt, klingt das nach viel. Doch manchmal ist eben nicht weniger mehr, sondern viel ist schlicht viel. Wenn Sie Muskeln aufbauen wollen, dann gehen Sie auch mindestens zweimal die Woche ins Fitnesscenter und nicht einmal alle sechs Monate. Finden Sie also Möglichkeiten, eine gewisse Dichte zu gewährleisten, um Entwicklung zu befördern.

Stellen Sie sicher, dass das Anliegen promoted wird.

Sichern Sie sich Macht- und Prozesspromotion für das Vorhaben! Die Zustimmung und das Commitment der Unternehmensentscheider ist eine essentielle Voraussetzung. Kein Start ohne klares OK! Hier gilt, was Sie vorne nicht sauber abstimmen, fällt Ihnen im Prozess auf die Füße. Die Steuerung Ihres Kulturvorhabens braucht auch die Nähe zum Management und darf sich nie von der Entscheidungsebene entkoppeln. In Wandlungsprozessen kann alles Mögliche passieren. Ein kompetentes und entscheidungskräftiges Steuerungsteam hält den Entwicklungsprozess aufrecht und stellt bei Schwierigkeiten die Handlungsfähigkeit aller Beteiligten sicher. Im besten Fall sind relevante Entscheider ein fester Bestandteil im Steuerungsteam.

Vorbereitung ist alles. Alle Beteiligten, doch insbesondere die zentralen Verantwortlichen sollten wissen, was potenziell auf Sie zukommt. Wenn Menschen vorbereitet sind, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie ob der Ereignisse aus Schreck oder aus Angst die Zügel fallen lassen.

Wie Sie sehen, ist es im Grunde ganz einfach. Doch niemand hat gesagt, dass es leicht ist. Gute Fahrt!

Autorin: Katrin Schillinger 


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