Identität – Das organisationale Ich mobilisieren

Katrin Schillinger

Die Ideen und Handlungen von gestern sind der Wert und der Erfolg von heute. Doch wie sichern Organisationen ihren Wert und Erfolg von morgen im Heute? Wie mobilisieren Sie dabei ihre inneren Kräfte in Richtung des zukünftigen Auftrages und Erfolges? Und welche Gegebenheiten im Heute beschränken die Konzentration auf das Morgen?

Unsere Zeit ist geprägt von Dynamik und zeitweilig irritierender Komplexität. Der Wandel tost kraftvoll in und um Organisationen. Zukunftsgerichtetes Handeln wird für Organisationen entsprechend zu einer immer schwierigeren Herausforderung. Für Organisationen stellen sich daher die Fragen:

  • Was brauchen sie, um weiter erfolgreich und überlebensfähig zu sein?
  • Wie können sie ihren Wert und Erfolg langfristig sichern?

Die Zukunft bleibt immer ungewiss und die Fragen müssen im Heute und Hier beantwortet werden. Generell ist ein zukunftsgerichtetes und ressourcenorientiertes Vorgehen ein sinnvoller Ansatz um langfristig erfolgreich und handlungsfähig zu sein. Unter dem Titel „Mobilisierung organisationaler Kräfte“ betrachten wir daher nach innen gerichtete Möglichkeiten, vorhandene Potenziale der Organisation gezielt herauszuarbeiten und zu nutzen. Diese Arbeit ist immer auch eine strategische. Nur richtet sich der strategische Blick dabei nicht nach außen sondern eher auf das innere Geschehen der Organisation selbst und den damit verbundenen Handlungsfeldern. Der Begriff „strategisch“ hat dabei zwei Bedeutungen:

  • die Relevanz von Maßnahmen für den Auftrag und die Ausrichtung der Organisation (verbinden)
  • die Anlehnung der Maßnahmen selbst an die Prämissen und Vorgehensweisen der Strategiearbeit (systematisieren)

Zur Nutzung interner Ressourcen und Potenziale bieten sich die Gestaltungsfelder „Identität“, „Kommunikation“ und „Kompetenz“ an. Konzentrieren wir uns zunächst auf die Arbeit mit der eigenen Identität der Organisation.

Mit der eigenen Identität arbeiten

Wer sind wir, wer sind wir nicht? Was ist uns wichtig, was nicht? Identität ist das, was aus einem gewissen Abstand zur Organisation als das Gemeinsame aller Beteiligten definiert wird. Sie umfasst die eigenen Wurzeln und Traditionen sowie angebotene Produkte und Leistungen. Auch die Art und Weise der Gestaltung von Kontakt und Kooperation, der formulierte Daseinsgrund, die Zukunftsvorstellungen und natürlich auch die damit verbundenen strategischen Bemühungen gehören zur Identität. Im Grunde ist sie eine natürliche Ressource der Organisation, die nicht eingekauft werden kann. Sie kann auch nicht einfach „gemacht“ oder „hergestellt“ werden. Eine Identität hat man. Sie ist grundsätzlich da und Klarheit über sie ist Grundlage, um mit ihr zielführend arbeiten zu können.

Orientierung durch Konsistenz

Identität unterscheidet nach außen, denn sie zieht an, was sie ausstrahlt. Das macht sie zu einem entscheidenden Alleinstellungsmerkmal. Zugleich verbindet Identität nach innen, denn sie stiftet für die Beteiligten Sinn, Vertrauen und Orientierung. Doch was kann passieren, wenn die Identität in sich nicht stimmig ist? Inkongruenzen zwischen der Selbstbeschreibung und der gelebten Praxis führen bei allen Beteiligten zu Orientierungseinbußen, Rollenkonflikten und Frusterlebnissen. Die Identifikation sinkt und damit auch die Basis für die Aufrechterhaltung und Weiterführung der geschäftlichen oder arbeitsbezogenen Verbindungen. Eine starke Identität, die auch tatsächlich gelebt wird, hingegen unterstützt dabei, vorhandene Kräfte im Inneren der Organisation zu bündeln. Sie trägt dazu bei, die Organisationsmitglieder mit dem organisationalen Auftrag und der Organisation selbst zu verbinden.

Stimmigkeit fördert die organisationale Außenwahrnehmung

Je klarer und stimmiger die eigene Identität nach innen gelebt wird, umso stimmiger kommt sie im Außen zum Tragen. Dies fördert die Glaubwürdigkeit und die Differenzierungskraft zum Wettbewerb wird in ihrer Wirksamkeit unterstützt. Doch wie genau? Wir sprechen zumeist von der „Marke“, wenn die organisationale Identität nach außen getragen bzw. kommuniziert wird. Die Markenidentität kann man allerdings nicht über Apelle oder Absichtserklärungen vermitteln. Die für Kundinnen und Kunden entscheidende Glaubwürdigkeit der Identität entsteht über die Wahrnehmung von Verhalten. Die konkreten Handlungen an der Schnittstelle von Marke und Kundschaft sind also entscheidend. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt vermitteln über ihr Verhalten, ob gewollt oder ungewollt, die Identität der Marke permanent an Kundinnen und Kunden. Verhalten sie sich anders als aufgrund des Markenimages erwartet wird, sinkt die Glaubwürdigkeit der Marke. Ein inkonsistentes Markenbild entsteht. Infolgedessen sinkt auch das Markenvertrauen der Kundschaft, da sie ihre Erfahrungen mit Mitgliedern der Marke auch direkt auf die Marke übertragen. Entsprechend kommt dem markenkonformen Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als tägliche Markenbotschafter eine Schlüsselrolle zu. Wird die Marke intern stimmig gelebt, kommt sie auch im direkten Kundenkontakt stärker zum Tragen, denn Verhalten basiert stark auf den Gegebenheiten des Umfeldes. Die gelebte Organisationskultur, die identitätsorientierte Professionalisierung und Führung sind in diesem Sinne nur einige wenige relevante Rahmenbedingungen. Gleichsam wird auch deutlich, dass insbesondere Führungskräfte in ihrer repräsentierenden, verbindenden und entwickelnden Funktion weitere bedeutende Multiplikatoren der Markenidentität darstellen. Der organisationsinternen Identitätsarbeit oder auch dem innengerichteten identitätsbasierten Markenmanagement kommt damit eine nicht zu unterschätzende ökonomische Bedeutung zu. Diese Arbeit wird sich allerdings eher auf eine langfristige Ausrichtung stützen, da es um eine verhaltensbezogene Glaubwürdigkeit der Marke geht. Sie unterstützt gezielt eine identitätsbezogene Handlungsfähigkeit der Organisationsmitglieder und arbeitet damit stärker an Haltungen, Einstellungen und Umsetzungskompetenzen statt nur am Wissen und der emotionalen Markenwirkung.

Orientierung an Werten statt Wenn-Dann-Regeln

Beschäftigt man sich mit der eigenen Identität, kann dies schnell zu großer Komplexität führen. Eine Möglichkeit, diese zu reduzieren, findet sich in der gezielten Wertearbeit. Gemeinsame Werte schaffen Sinn und Orientierung, zumindest dann, wenn alle Beteiligten die Werte mit annähernd ähnlichen Bedeutungen verbinden und ein gemeinsames Verständnis über ihre Umsetzung im Alltag teilen. Dies setzt Raum für Austausch und Ausprobieren voraus. Zunächst scheint dies mit größerem Aufwand insbesondere bei der Konzeptionierung und Einführung entsprechender Maßnahmen verbunden. Doch langfristig häufen sich positive Erfahrungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kundinnen und Kunden. Die Identität durchdringt zunehmend die Organisation und drückt sich letztlich im Außenkontakt immer klarer und stärker aus. Über konsequente Konsistenz kann so nachhaltig das gewünschte Image nach außen gefördert werden. Eine bewusst professionalisierte Wertearbeit bewährt sich langfristig aber mitunter sehr kraftvoll und kann eine wertvolle entlastende Unterstützung bieten. Die interne Handlungsfähigkeit kann um ein Vielfaches erhöht werden, da aus klaren Wertvorstellungen klare Verhaltensalternativen resultieren. Wer seine Arbeit an festen Werten ausrichtet, ist nämlich schneller als jemand der in Wenn-Dann-Regeln denkt. Wenn es ein Mehraufwand ist, dann einer, der sich im Endergebnis sehr lohnen kann.

Handlungsfelder der innengerichteten Identitätsarbeit

Zusammenfassend lassen sich folgende potenzielle Handlungsfelder für eine erfolgreiche Arbeit mit der eigenen Identität unterscheiden:

  • die Sicherstellung der Klarheit und Stimmigkeit von Selbstbeschreibung und gelebter Praxis, weil Effektivität die Kontinuität und Konsistenz vom „Meinen“ und „Handeln“ benötigt.
  • die Klarheit über die gemeinsam geteilten Werte und deren Anwendung im Alltag, weil geteilte Werte Sinn und Orientierung schaffen und die Handlungsfähigkeit stärken.
  • die identitäts- und markenkonforme Qualifizierung der Organisationsmitglieder, insbesondere derjenigen mit Kundenkontakt und Führungsaufgaben.
  • eine innengerichtete Identitätsarbeit, die auch an der verhaltensbezogenen Glaubwürdigkeit arbeitet.

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Dieser Beitrag wurde ursprünglich im Rahmen meiner Tätigkeit im Netzwerk artop auf eben dieser Webseite veröffentlicht.